15 Platten (Sommer 2017 Edition)
Was ist das bislang für ein Plattenjahrgang? Ich weiss es auch noch nicht genau. Was ich aber weiss: Diese fünfzehn Alben prägten mein bisheriges Musikjahr.
Zayk: «Durch den Äther» (Bongo Joe)
Start again – und allenfalls auch grad durchstarten, dank dieser sich famos reinspielenden Platte von Zayk, zu der fast alles hier steht. Geht nicht nur durch den Äther.
Golden Diskó Ship: «Imaginary Boys» (Karl Records)
Pop und Experiment mitsamt einer tollen Gitarre des Jahres in der Single «Pacific Trash Vortex»: Das gibts auf diesem Album von Theresa Stroetges Ein-Frau-Orchesters zu hören, das zwischen Tracks und Songs hin und her wandelt. Wohin das nur führt?
Denis Mpunga & Paul K.: «Criola» (Music from Memory)
In der belgischen Stadt Liège nahmen anfangs der Achtziger Denis Mpunga und Paul K. diese fantastische Musik auf, die nun dank dem Label Music from Memory entdeckt werden kann. Eine jener Platten, die unheimlich verwirrt und grossartig beglückt (und die ich ohne Plattenladen nicht gefunden hätte).
Sophia Kennedy: «Sophia Kennedy» (Pampa Records)
Wenn ich ans Frühlingwochenende in Hamburg zurückdenke, dann denke ich auch an die so kurligen wie einnehmenden Popsongs von Sophia Kennedy, die damals an so vielen Orten gehört wurden. Die Aussichten, die dieses Album eröffnen, sind immer noch grossartig. Nicht nur vom «Kimono Hill».
Actress: «AZD» (Ninja Tune)
In der Tonspuren- und Norient-Homebase hat es seit dem Frühjahr ein Soundsystem, das nicht unamtlich daher kommt. Und auf den Plattentellern liess ich immer wieder dieses Album von Actress drehen, quasi als Surrogat für entgangene Nächte in den Clubs (und alle nicht gerauchten Zigaretten und Joints). Und bleibende Tracks hats auch genügend.
Equiknoxx Music: «Bird Sound Power» (DDS)
Ja, diese Compilation erschien im letzten Jahr, doch was dieses Soundsystem für Riddims baut, ist schlicht unerhört.
Horse Lords: «Interventions» (Northern Spy Records)
Auch aus dem letzten Jahr, aber es ist halt so, dass ich von der Wucht und Freude dieser Band erst durch ein sensationelles Konzert erfahren habe, die aber auf dieser Platte schon auch nachvollzogen werden kann. File under: No-Wave-Cowbell-Carnival.
Mount Eerie: «A Crow Looked at Me» (P.W. Elverum & Sun)
Lange wollte ich die Lieder nicht hören, in denen Phil Elverum den Tod seiner Frau zu verarbeiten versucht. Und oft habe ich sie auch nicht gehört, da ich nicht immer weinen will. Warum das Album dennoch hier auftaucht? Weil «A Crow Looked at Me» eine Platte ist, in der die Verheerung, die der Tod bei ihm seiner Frau hinterlassen hat, selbst für den entfernten Zuhörer schmerzlich und beinahe körperlich spürbar wird. Anders als bei aktuellen Songzyklen über den Tod wie etwa Sufjan Stevens «Carrie & Lowell» gibts keine Erlösung, keine Filter wie bei Nick Caves «Skeleton Tree», und schon gar keinen Pathos und Trost, denn: «When real death enters the house, all poetry is dumb». Was bleibt, ist unermessliche Trauer, und die Worte: «I love you.»
VA: «Mono No Aware» (PAN)
Kann es weitergehen? Und wenn ja, wie? Vielleicht mit dieser raumfüllenden Ambient-Compilation, herausgegeben von PAN. Die nicht ganz leisen Tracks fliessen ineinander, zwingen zum Innehalten, verbreiten Stille und unheimeln auch (beispielsweise Yves Tumors «Limerence»). Überdies: Das Cover des bisherigen Jahres.
Jens Lekman: «Life Will See You Now» (Secretly Canadian)
Zurück zum Pop. Und ja, zunächst sind die nach einer Schaffenskrise entstandenen Lieder fast zu supersüss, danach aber mindestens bittersüss und sehr oft und freudig gehört. Wie haben wir uns eigentlich getroffen, damals? Und was ist das eigentlich für ein Parfüm, das zum Tanz anstiftet?
Jeans for Jesus: «P R O» (Universal)
Vielleicht das hier? Jedenfalls: Geschrieben wurde zu diesem Album auch von mir reichlich, was es aber nachzutragen gibt: «P R O» ist zweifellos das Album, das mich in diesem Jahr bislang am meisten beschäftigt hat und zu dem ich immer noch und immer wieder zurückkehre – auch dank Meisterstücken wie «Is It Better to Burn Out Than to Fade Away?». Lässt immer noch fast alles verblassen, dieses Album.
Richard Dawson: «Peasant» (Weird World)
Nach dem «vile stuff»-Trank gehts nun ins nordenglische «Kingdom of Bryneich». Dort gibts überraschend üppige Rittermusik, viele Erzählungen, die ich noch nicht dechiffriert habe und vor allem Dawsons unverwechselbare Gitarre und Stimme. «It's music that rewards attention, to its detailing, to its textures, but it's also beautiful and stirring and moving. It's just, well, not pop music», heissts beim «Quietus» treffend. Falte Deine Hände, Kind!
Hand Habits: «Wildly Idle (Humble Before the Void)» (Woodsist)
Das war eine der ersten schönen Platten des Jahres, weil Meg Duffy aka Hand Habits auf «Wildly Idle (Humble Before the Void)» traumähnliche Songs versammelt, die vom wohligen Alleinsein zeugen. Das klingt schon auch abgekapselt, aber nicht nur. Ideale Hausmusik.
Mr. Mitch: «Devout» (Planet Mu)
Grime ist nur aggressiv? Keineswegs, wie etwa dieser Songzyklus übers Vatersein von Mr. Mitch beweist. «Baby this, baby that, baby cot, baby clothes, break the bank», heisst es einmal auf diesem sehr genau und liebevoll gearbeiteten Album, doch kindermüde ist hier nichts. Es beginnt halt einfach etwas Neues, und die Clubnächte sind fürs erste vorbei. Was auch bleibt, ist die Zeile «Do you remember when we made our love?» Nicht nur für jüngere Väter.
Emahoy Tsegué-Mariam Guèbru: «Emahoy Tsegué-Mariam Guèbru» (Mississippi Records)
Zum Schluss: Diese ganz und gar berückende Klaviermusik von Emahoy Tsegué-Mariam Guèbru aus Äthiopien. Ihre Geschichte ist hier nachzulesen, nun aber: let's get lost in music.
Merci für die Musik: OOR Records I ZigZag I Boomkat I Norman Records I RecRec I Bongo Joe I Serge and Peppers I Bandcamp I Groove City I Jamarico
Beitragsbild: HMV getcloser (Flickr)
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