The Notwist: «Vertigo Days»

Bildschirmfoto 2021 01 22 Um 08 48 21 Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Weitergehen, nach neuen Verbindungen und Verknüpfungen suchen und sich öffnen, selbst dann, wenn draussen alles geschlossen ist: Genau dies machen The Notwist auf ihrem neuen Album «Vertigo Days».

Zurück zum Bewährten und Altbekannten, zurück zu jener Musik, die einen an glücklichere und pandemielose Zeiten erinnern: das kann ein mögliches Rezept sein, um der Gegenwart zu entfliehen. Aber was, wenn man nostalgischen Gefühlen eher misstraut? Nun, dann wohl einfach besser weitergehen, nach neuen Verbindungen und Verknüpfungen suchen und sich öffnen, selbst dann, wenn draussen alles geschlossen ist. Genau dies machen The Notwist auf «Vertigo Days», ihrem ersten neuen Album seit sieben Jahren

Es hat sich in der Zwischenzeit einiges verändert bei der Weilheimer Popzelle, die seit jeher in die Welt rausgefunkt hat: Martin «Console» Gretschmann hat die Band kurz nach der Veröffentlichung des letzten Albums «Close to the Glass» verlassen, während sich Markus und Micha Acher stärker dem Label Alien Transistor, Soundtrack- und Festival-Projekten sowie weiteren Bands zugewandt haben. Es erschienen Platten wie «Mirage Mirage» der Band Spirit Fest, die Markus Acher und das neu fixe Notwist-Mitglied Cico Beck mit dem japanischen Duo Tenniscoats eingespielt hat. Oder der unheimliche dekonstruierte Funk von Fehler Kuti, dessen Album «Schland Is the Place for Me» von einem unheimlichen und rassistischen Deutschland erzählt.

«Vertigo Days» nimmt all diese vielstimmigen Projekte auf: Man hört Gäste wie Juana Molina, die selbst auch an offenen Strukturen weiterdenkt, die Klarinettistin Angel Bat Dawid oder Ben LaMar Gay, die beide zu den wichtigsten und radikalsten MusikerInnen der Gegenwart zählen. Und doch klingt «Vertigo Days» fast immer auch unverkennbar und vertraut nach The Notwist, natürlich dank der brüchigen und doch zutraulichen Stimme von Markus Acher, dank einer Wärme in der Instrumentierung wie in «Where You Find Me», dank der Melancholie auch, die mit dem Blick in den Nachthimmel ins Unendliche ausgeweitet wird.

Bei aller Offenheit ist «Vertigo Days» auch ein geschlossenes Album, eines, das alle losen Enden miteinander verknüpft – um am Schluss die Liebe wiederzufinden.

Cover Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

The Notwist: «Vertigo Days» (Morr Music)

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