Zayk
Resignation oder Enge? Gibts in der Musik der Band Zayk nicht – was auch auf ihrer neuen EP «La crête» zu hören ist.
Dieser Text ist in der aktuellen Ausgabe des «Loop» erschienen. Kein Abo? Hier gehts lang.
Wenn dir das Zuhause und das Wohnquartier, auf das du in diesen Tagen zurückgeworfen bist, und der ewig gleiche Trott der Tage allzu arg auf den Geist fallen, kann ein Wechsel des Soundtracks den Horizont wieder ausweiten und die eingeschlafene Neugierde aufwecken. Also raus aus den Algorithmen der Streamingdienste und rauf auf den Grat, den die Band Zayk auf ihrer neuen EP beschreitet. Und du wirst lauernde und wandernde und flackernde und dunkle und helle Gitarren hören, treibende und auch entschleunigte Schlagzeug- und Bassmotoriken, und immer auch wieder Keyboardsounds, die vieles verfinstern und auch wieder aufklären. Und wenn du weit genug gekommen bist, beispielsweise im über dreizehnminütigen Stück «We Do What We Want», dann gesellen sich auch Stimmen dazu, die dir ins Ohr flüstern: «I do what I want». Resignation oder Enge? Gibts nicht in dieser Musik.
Später am Abend, nach einem neuerlichen Schlittern über die Quartiertrottoirs, mit «La crête», wie die EP heisst, im Kopfhörer, gehts zurück an den Bildschirm, und ich zoome rein in das Gespräch mit den Zayk-Musikerinnen. Mit Ausnahme der Keyboarderin Janine Städler sind alle da – die beiden Gitarristinnen Nina Seyfried und Sophie Hartmann, Schlagzeugerin Elian Imbach und Bassistin Juliette Rosset. Ich frage gleich zuerst, was dieses «We Do What We Want» alles einschliesst, für sie als Band, für sie als Musikerinnen. Und sie erzählen, wie dieser Slogan überhaupt in ihren ausschweifenden Song gefunden hat: «Die Lyrics waren erst improvisiert. In unserem Bandraum haben wir Kisten mit Kabel und anderem Bandmaterial drin, und wir sangen jeweils irgendwas über diese Kisten», sagt Juliette Rosset. «Auf einer Fahrt zu einem Konzert hörten wir dann «Don’t Blame Me» der befreundeten Band Wellington Irish Black Warrior und wir beschlossen, diese Zeile einfach in unserem Song zu singen.» Und weil dies so gut passte, ist die Zeile seither Teil ihres Lieds. Es sei aber auch einfach toll, den Song im Soundcheck zu spielen – gerade dann, wenn sie sich in komischen Situationen wiederfinden, in denen Tontechniker ihnen das Gefühl geben, dass sie keine Ahnung haben. «Dann ist das auch geil, diesen Satz herauszuschreien.» Natürlich, sagt Nina Seyfried, passt «We Do What We Want» auch sonst zur Band, «weil wir schon alles so machen, wie wir es wollen, alles selber machen und uns selber managen.»
Do-it-yourself ist bei Zayk denn auch vielmehr als bloss eine gern behauptete Marketingattitüde, seit die Band vor acht Jahren ihren Anfang gefunden hat. Nina Seyfried war damals unzufrieden mit ihren musikalischen Projekten, suchte Gleichgesinnte: «Ich sprach in der Küche von Julie und Janine über diese Situation und wir beschlossen spontan: dann machen wir doch einfach etwas zusammen.» Innerhalb einer Woche fanden sie einen Bandraum, und im Ausgang in der Zukunft trafen sie Elian Imbach, erzählten ihr voller Begeisterung von der Band und auch, dass sie noch eine Schlagzeugerin suchten. Und weil die Musik vor dem DJ-Pult so laut war, schrie Imbach: «Okay, ich will mitmachen, aber ich kann gar nicht spielen!» Die Antwort: Egal, mach einfach. Sie begannen zu spielen, probierten im Bandraum vieles aus, nahmen immer auf, hörten gemeinsam Musik. Später stiess Sophie Hartmann dazu, und sie waren zu fünft, so, wie sie auch heute noch zusammenspielen.
Seit diesen Anfängen fanden Zayk zu ihrem ganz eigenen Psychedelic Rock, der Schlaufen dreht. «Das Repetitive», sagt Elian Imbach, «ist aus einem gewissen Pragmatismus entstanden und gab uns einen Ausgangspunkt, der zu unserer Musik geführt hat.» Zayks Songs sind dennoch weit offen, nehmen Abzweigungen, schreiten zur Seite, ohne an Drang oder Bestimmtheit zu verlieren. Von einem «eigenen Dialekt» sprechen Zayk, «es gab nie Momente, in denen wir klingen wollten wie ein bestimmtes Vorbild», fügt Sophie Hartmann an.
Es folgten Konzerte und Tourneen, auch in England oder Frankreich, die LP «Durch den Äther», die vor fünf Jahren auf Bongo Joe erschienen ist und nun «La crête». Die EP fängt «Momentaufnahmen» dieser Songs ein, sagt Elian Imbach, denn bei ihnen ist eigentlich nie etwas «fertig fertig», schon gar nicht die Songs, die im Studio live aufgenommen wurden. Die drei Songs auf «La crête» erinnern mit ihrem freien Drang und dem uneingeschränkten Austausch zwischen den Instrumenten denn auch daran, was im gegenwärtigen Konzert-Vakuum alles fehlt.
Aber resignieren? Nein, natürlich nicht. Lieber nochmals zurück auf den Zayk-Weg entlang der Krete. Denn ist das in der Ferne nicht das Meer?
Zayk: «La crête» (Bandcamp)