20 Jahresplatten 2018
Der Plattenschrank ist nun einigermassen sortiert. Deshalb hier: 20 Alben, die ich im zweiten Halbjahr sehr gerne gehört habe.
Tirzah: «Devotion»
Es war das Album, das im Sommer drehte, durch den Herbst führte und nun auch im Winter für Geborgenheit sorgt. Wobei: Die Liebe ist bei Tirzah ja überaus brüchig. Und diese Songs, die von Mica Levi arrangiert sind, erinnern auch daran, wie kostbar all das hier ist. Take care.
Jenny Hval: «The Long Sleep»
Wegdriften, aber doch wach bleiben: Das geht mit Jenny Hvals EP, und das nicht nur im Schlüsselstück «Spells».
Rosalía: «El mal querer»
Es geht auf diesem Album nicht unbedingt um Flamenco, sondern um einen Blockbuster-Pophybriden, der so waghalsig zusammengebaut ist, dass man immer wieder staunt – und die Songs immer wieder neu hört.
Earl Sweatshirt: «Some Rap Songs»
Radikal verknappt: Das ist dieses Album nicht nur im Titel, sondern eben auch in der Musik. Dass in diesen «Rap Songs» dennoch die ganze Welt drinsteckt, – das Leben, der Tod, die Depressionen, die Liebe –, das kann dann aber nur einer wie Earl Sweatshirt.
Abu Obaida Hassan & His Tambour: «The Shaigiya Sound of Sudan»
Mit den Trommeln von Abu Obaida Hassan ans Licht. Was für eine fantastische Musik das Label Ostinato Records im Sudan aufgespürt hat (wie auch die nicht minder grossartige Compilation «Two Niles to Sing a Melody» weiter zeigt).
Ariana Grande: «Sweetener»
Mein Crush des Jahres, ja, weil Ariana Grande mit «Sweetener» nicht nur in den Ausnahmesongs «The Light Is Coming» und «No Tears Left to Cry» dem Zynismus mit Sweetness entgegentritt. Überzuckerungen? Gab es an anderen Orten.
Nativ: «Baobab»
«Du fragsch mi, werum ig mi immer ha schwärzer gfühlt aus wiis? S’isch
ganz eifach: wägä euch», heisst es fast zu Beginn dieses Albums, auf dem Nativ den Schweizer Alltagsrassismus adressiert, und später mit Songs wie «Jigeen» auch Lovesongs anstimmt. Möge seine Mission erfolgreich sein.
Low: «Double Negative»
Gemeinsam mit Yo La Tengos «There's a Riot Going On» die Protestmusik des Jahres, ohne Frage.
Baze: «Gott»
«I muess nümme use, i muess daheime bliibe» – erzählt Baze auf diesem Album, bevor es ihn eben doch wieder über die A1 und durch den Soundnebel treibt, der hier schon fast TV-on-the-Radio-gospelhafte Züge annimmt.
Eliza McCarthy & Mica Levi: «Slow Dark Green Murky Waterfall»
Wie eigenartig Mica Levi ihre Musik denkt, das konnte man sehen, als sie an der Seite von Tirzah das Keyboard spielte. Aber man hört in auf ihren Klavierstücken, die von Eliza McCarthy interpretiert werden, fast noch besser.
Rolling Blackouts Coastal Fever: «Hope Downs»
Ein glorioses Album für die Strasse, das rollt und rollt und immer weiterrollt und weiterdrängt, durch Orte wie «Cappucino City», durch Privates wie im umwerfenden «Talking Straight».
Rimarimba
Eine Archiventdeckung sind diese Alben des einzelgängerischen Robert Cox, der als Rimarimba in den 80ern diese abenteuerliche DIY-Musik zusammengebastelt hat.
Manuel Troller: «Vanishing Points»
Das Label three:four ist längst die beste Adresse, wenn es um Sologitarrenmusik geht. Das unterstreicht dieses Solodebüt von Manuel Troller, das durch Wurmlöcher reist, um dann im songhaften Schluss ganz zu entschwinden.
Cyril Cyril: «Certaine Ruines»
Der freundliche Plattenguru Cyril Yeterian hat mit La Tène-Schlagzeuger Cyril Bondi eine neue Band gegründet. Auf «Certaine Ruines» klingt dann alles an : der Blues aus der Sahara, der Cajun aus dem Mississippi-Delta, die Psychedelik des Bosporus. Cyril Cyril spielen aber keine hyperaktive Schüttelbecher-Musik, sondern die beiden lassen sich Zeit und Raum, für die Trance, die sich langsam entspinnt – und zum Tanzen anstiftet. Und dies nicht nur in der fantastischen Single «Colosse de Rhodes».
Miss Red: «K.O.»
Enter the Dancehall, mit Miss Red und diesem Album, das von Kevin Martin (alias The Bug) prdouziert wurde. Mehr Bass gabs in diesem Jahr nirgends, zumal Songs wie «War» auch zuhause aufrütteln.
Sons of Kemet: «Your Queen Is a Reptile»
Auch eine tanzende Protest- und Selbstermächtigungsmusik spielt Shabaka Hutchings mit seiner Band Sons of Kemet. Nach dem Tanz wirbelts dann weiter, weil Hutchings – ein fantastischer Gesprächspartner – mit diesem Album so viel anregt.
Julia Holter: «Aviary»
Ist es too much und masslos, zumal nach dem so lufitigen Songalbum «Have You in My Wilderness»? Ja, klar, aber Julia Holter hat «Aviary» auch nicht unbedingt als Album geplant, das man sich an einem Stück geben sollte. Aber als eines, das immer wieder neue Facetten preisgibt, in kammermusikalischen Songs, die nur scheinbar losgelöst sind von allem Irdischen.
Shintaro Sakamoto: «Let's Dance Raw»
Eine der meistgespielten Platten des Jahres (die ja eigentlich bereits ein wenig älter ist) enthält apokalyptische Loungemusik. Sehr angenehm, das.
Blood Orange: «Negro Swan»
Dev Hynes gibt den Heiler, verstärkt durch seine illustre Gästeliste, die zur Ersatzfamilie wird. Aber bis er soweit ist, muss er zurück in sein Jugendkaff, dort, wo er drangsaliert wurde. Und dann ist auf «Negro Swan» ja auch «Charcoal Baby» drauf, mit der versengten Gitarre des Jahres.
Sandro Perri: «In Another Life»
Zum Rauschlaufen, zum Reinschlaufen, aus diesem Jahr, ins neue Jahr, oder was auch immer: Sandro Perri hat mit diesem 24-minütigen und so zärtlichen wie einnehmenden Pop-Mantra das Zeitgefüge ausgehebelt. Ein Wunder.