DJ Rashad
Itz not rite: DJ Rashad ist tot. Ohne ihn und seine Crew Teklife würde eines der irrwitzigsten Gegenwartsgenres nicht existieren.
2010 Jahren erschien auf dem englischen Label Planet Mu die Compilation «Bangs and Works – A Chicago Footwork Compilation». Zwei Folgen erschienen – mit Tracks von Pionieren wie Traxman, RP Boo, DJ Spinn und DJ Rashad. Es war für mich der erste Kontakt mit der irrwitzig nervösen und phänomenalen Verrenkungs-Musik. Die Beats sind am stottern, werden durch den Bass aber doch irgendwie zusammengehalten, während wahlweise lustige und harsche Stimmsamples zerhackt ertönen. Und so gehen denn auch die Tänze:
Natürlich ist Footwork Musik für den Club, für die freitanzende Strasse – und nicht für Zuhause. Und doch macht sie auch mit Nichttänzern irgendwas. Thomas Meinecke schrieb in seinem Roman «Lookalikes» diese Zeilen zu Footwork:
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Diese Musik ist so schnell, dass sie langsam vorkommt, sagt Josephine Baker. Du musst die Beats per Minutes zählen, sagt Justin Timberlake, so schnell war Chicago House noch nie. Aber wenn doch so viele Beats ausgelassen werden, wendet Josephine ein. Justin setzt ihr, auf Socken (da er eben noch neben ihr auf seinem Bett lag), auf dem Teppichboden seiner kleinen Wohnung die höchst komplizierten und rasanten solistischen (aber nicht solipsistischen) Tanzbewegungen der Chicago Footwork Music nachvollziehend, die er auch nur aus dem Internet kennt (während der vergangenen Wochen aus dem Internet auf einer Playlist zusammengestellt hat) und Josephine nun auf seinem Laptop vorspielt (mit Hilfe zweier externer Aktivboxen, der subsonischen Bässe wegen).
Achtung, Josephine, als nächstes kommt Victor Harland alias Tha Pope (Chicago's Youngest Celebrity TM) mit Jungle Juke, das, wie du hören wirst, auf einem Sample aus The Lion Sleeps Tonight aufbaut. So viel lässt sich auf jeden Fall herauslesen (der Dschungel ist natürlich auch hier ein Verweis-Dschungel). Ausserdem sollen wir hierzu tanzen. Wie im Candomblé, bemerkt Josephine (die sich immer wieder die komplexen Schritte ihrer in Salvador für sie herausgefundenen Orixá vergegenwärtigen muss). Oder bei Lacan, jubiliert Justin, wenn er sagt: Du sollst lesen, nicht verstehen. Footwork stellt auf jeden Fall etwas mit mir an. Diese Musik will etwas. Und ich bin bereit, es ihr zu geben. Come on and dance, Josephine. Josephine aber muss erst einmal loslachen. Vielleicht müsstest du schwarz sein, Justin, ruft sie, oder schwul, komm lieber zurück ins Bett. Aufs Bett, korrigiert sie Justin in seinem verzweifelten Gewissen gegenüber seiner Ehefrau Karin (die sich seit einigen Stunden im transatlantischen Anflug auf Düsseldorf) kleinzuschreiben.
Thomas Meinecke, «Lookalikes» (Suhrkamp, 2011)
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Im vergangenen Jahr erschien DJ Rashads Album «Double Cup» auf Hyperdub, das er gemeinsam mit seiner Teklife-Crew (vorab mit seinem Partner DJ Spinn) produziert hat. Eine Platte, aufgebaut wie ein grossartiges DJ-Set, das durch alle Höhen und Tiefen einer Nacht führt, vor allem aber auch grosse Songs enthält – wie «Let U No» – und so in neue Footwork-Zonen vorgedrungen ist:
«Double Cup» und all seine Tracks bleiben nun das Vermächtnis von DJ Rashad: Am Samstag starb er im Alter von 34 Jahren:
you changed us all @DJRASHAD
— RIP Rashad (@kodenine) 27. April 2014
Devastating when you hear the future of music stopped in its tracks.
— LAUREL HALO (@LaurelHalo) 27. April 2014
PS: Just diese Woche erscheint DJ Rashads neue EP «We On 1»:
Aktuelles aus dem Tieftonbereich (WOZ, 12.12.2013)
Ideal für fantastische Verrenkungen (taz, 23.11.2013)
Arbeit für die Füsse (NZZ, 13.12.2013)
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