Silhouetten der Bad Bonn Kilbi 2016

k 1 Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Die Schönheit liegt im Noise, aber auch an anderen Orten: Der erste Tag der Bad Bonn Kilbi 2016 mit den Boredoms, Julia Holter, Ogoya Nengo, Ty Segall und Rock für und von Wichser.

Es schien in den letzten Jahren, als hätten die Boredoms ihre Formel gefunden. Denn mit den Boadrum-Formationen – mit mal 7 besten Schlagzeugern oder auch gleich 88 Zymbalspielern – und primitiv-mächtigen Tribalbeats und glockenhellen Klängen drangen sie in eigene kosmischen Sphären vor. 2016 sind die Boredoms wieder in ihrer Kernformation und mit neuer Musik unterwegs, die am ersten Tag der Bad Bonn Kilbi zu erleben war. Es war eine Musik, die eine Band im Labor zeigt, die mit ungesehenen Instrumenten ungehörte Sounds produziert, und nur der Teufel der Technik weiss genau, was Dirigent Yamantaka Eye, Yoshimi P-W und Yojiro Tatekawa an den Schlagzeugen sowie Liveproduzent Shinji Masuko, der u.a. Zeltheringe und Aschenbecher in eine Bassschale schmiss, da eigentlich genau gemacht haben. Was zu hören war: Eine glitschige, kosmische, doch laute und auch abstrakte Musik, die das drastische und prügelnde von früheren Tagen gänzlich verloren hat. Was bleibt, ist Schönheit und bei einigen Konzertbesuchern auch eine gewisse Erleuchtung. Und aber auch die Frage: Wie gehts von hier weiter für die Band?

Aber hei: Was ist das eigentlich für ein Festival, an dem die erste Band das Publikum mit «Hallo ihr Wichser» begrüsst und dann natürlich auch gleich selber Rock für Wichser spielt? (Knöppel bzw. Jack Stoiker dürfen das und es hat ja mit der Fat White Family noch weitere ähnliche Gesellen im Line-Up). Ein Festival, an dem die Kenianerin Ogoya Nengo und ihre Dodo Women's Group grossartige Gesänge anstimmen? Ein Festival, das noch immer ohne Security auskommt, was bei Ty Segall, der mit seiner Supergruppe The Muggers (feat. u.a. Mikal Cronin und King Tuff) seine gross unterhaltende Psych-Retro-Rock-Revue aufführte, für schöne Stagedive-Übungen sorgte? Allenfalls ist es schlicht so, wie Julia Holter sagte: Ein Festival, das cool, aber nicht übercool ist (und an dem auch ihre so distanziert-wunderbaren Songs nicht untergehen). Ein Festival, das schon jetzt und immer wieder zum Feuerwerken einlädt (was dann die – so hörte ich – sensationellen und von mir verpassten Zaperlipopette auch prompt besorgten). Und das war ja erst der Anfang, zum Glück.

Heute gehts weiter mit Cate Le Bon, Jenny Hval, den Parquet Courts und vielen anderen. Da das Leben zu kurz für schlechte Handybilder ist, gibts von Patrick Principe hier beste Fotos des Eröffnungsabends.

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