Lieben der Bad Bonn Kilbi 2016

kilbi-feuer Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Weltfrieden am letzten Tag der Bad Bonn Kilbi – mit Kamasi Washington und den Savages. Aber auch: Kümmert euch um diesen bleichen Buben!

Das Zeitalter der Ironie, wenn es denn je ein solches gegeben hat, ist spätestens am Samstagabend um 20:30 zu Ende gegangen. Denn da betritt Kamasi Washington und sein Ensemble die Kilbi-Bühne. Und wer sich nun im Vorfeld gefragt hat, was denn eigentlich genau ist mit diesem Saxofonisten, der seit dem Dreifach-Album «The Epic» als sogenannter Erneuerer des Jazz gilt, der weiss es nun: es zählt natürlich viel mehr als «nur» die Musik. Denn was für eine Ausstrahlung von dieser Jazz-Messenger-Familie ausgeht, in der die Freundin und der Vater des Bandleaders mitspielen und die Kamasis Grossmutter Henrietta besingt. Eine Familie, die sich zuweilen auch hochgradig schwierig in der Funk-Mottenkiste bedient. Da hat selbst ein Keytar-Solo Platz, aber der Weltrhythmus dieser Band schlängelt und tänzelt immer weiter, will immer noch mehr Leute berühren, bis so viele Zeugen dieses Konzerts zu Tränen gerührt und durchgeschüttelt sind. Was für eine wunderbare Energie, was für eine Feierstunde des, ja, Lebens.

Auf einer Mission, die derjenigen von Kamasi Washington gar nicht so unähnlich ist, sind die Savages – auch wenn die Mittel zum Zweck gänzlich anders sind, natürlich. Denn die Liebe ist auch hier die Antwort, man muss das nur in die Köpfe der Leute reinprügeln. Zunächst scheint es, dass Jehnny Beth und ihre Gefährtinnen die Dimensionen der Kilbi überschätzen, als suchen sie nach den Fernsehkameras der Grossfestivals oder der Late-Night-TV-Shows, an die die Band gewohnt ist, und es wirkt, als sei man einfach Teil eines prima einstudierten Posen-Rituals des durchdesignten Aufbegehrens. Irgendwann ist dann alles anders, entspannter und doch zwingender – und die Savages und die stagedivende Beth spielen ein Konzert gegen all die «Fuckers», die in der wunderbaren Kilbi-Blase ja meist gar nicht anwesend sind. Ein Konzert gegen alles – und doch für alles. Weil es geht: um das Lieben des Lebens. Fantastisch.

Da hat es ein bleicher, nicht unironischer Bube natürlich schwer, der am Nachmittag wirkt, als sei er auf dem Düdinger Feld, weitab vom behüteten Elternhaus in Nordamerika, verlustig gegangen. Und das passt dann schon, denn der 23-jährige Will Toledo, (der etwa zehn Jahre jünger aussieht, als er denn in Wirklichkeit ist), fühlt sich in seinen Liedern, die er als Carseat Headrest aufnimmt, immer irgendwie Fehl am Platz. So ist denn auch das Konzert und die mehr schlecht als recht zusammengeschusterte Band. Bleibt zu hoffen, dass die Matador-Labelmenschen trotz dem 50'000 Dollar Verlust diesen lieben Buben weiter in den Arm nehmen, so er denn den Weg heimfindet.

Was weiter bleibt vom Schlusstag? Der Metz-Wecker! Die trostlose Detroiter Dystopie von Protomartyr! Die fehlende Zeit, im Haus Konzerte zu sehen! Und aber vor allem eine linde Melancholie, die immer eintritt, wenn sich die zu Herzen gehende Parallelwelt Bad Bonn Kilbi nach drei Tagen wieder aufgelöst hat. Es war wunderschön.

Die weiteren Kilbireports: Silhouetten der Kilbi // Crab Day der Kilbi

Und die Bilder von Patrick Principe. Merci vielmals!

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