Hudson Mohawke: «Lantern»

hudson-mohawke Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Es ist die Saison der Blockbuster, es ist die Saison von «Lantern», dem langersehnten Album von Hudson Mohawke. Die Track-für-Track-Second-Listen-Kritik.

1. Lantern

«Hudson Mohawke» flüstert schaurig die Stimme eines Kindergeistes. Der erste Flackersound geht über in einen lasernden Noise, ein Soloflötli hängt in der Höhe, bereits sind einige Hirnzellen weggeschmolzen – und es sind erst zwei Minuten vergangen. Mal schauen, wo dieser Kindergeist mit seiner Laterne nun Zuflucht sucht.

2. Very First Breath (feat. Irfane)

Die Single, und nach zwanzig Sekunden sind sie da, die grellen Signatur-Sounds des Schotten Ross Birchard, der zum Beatmaker der Kanyes mutiert ist und hier dankenswerterweise auf allzu dicke Features verzichtet. Die Snares setzten bei einer halben Minute Spielzeit ein, der tiefhängende Beat dann wenig später. Das ist natürlich Grossraumdisco-Pop – auch wegen der R'n'B-Stimme von Irfane und den lässlichen Lyrics – aber es ist nun mal ein Blockbuster, den Hud Mo hier produziert.

3. Ryderz

Ein beglückendes Vintage-Soulsample aus dem Radio singt «Watch out for the riders, keep an eye out for the diamonds», bis er da ist, der erste ganz ganz glückliche Moment des Albums. Man kann ihn genau verorten, nämlich bei Sekunde 54. Es ist der Moment, in dem der Beat reinkickt und alles umkickt. Natürlich: «Ryderz» ist ein One-Trick-Pony von einem Track, aber das einzig doofe ist, dass der Track nach zwei Minuten bereits wieder fertig ist. Denn die Laternenträgerschaft will weiter, weil es lasert am Schluss wieder höchst unruhig.

4. Warriors (feat. Ruckazoid & Deveaux)

Weiter zu «Warriors», mit den blurpenden Toms und einer verfilterten Stimme, die sich verbündet mit einem Gospelchor. Wären da nicht der Treble-Soundoverkill und der stets unruhige Beat, wäre das eine der grossen Radio-Pophymnen des Jahres.

5. Kettles

Das Intro dieses Tracks könnten auch Hollywood-Studiocredits sein, es glöckelt und fanfart wie bei Disney, denn die Beats machen Pause. Ein Zwischenspiel, das grosses ankündigt.

6. Scud Books

Und zwar diesen Track hier, der auch aus der TNGHT-EP stammen könnte. Die tiefen Bläserarrangements werden hier über einen dicken Beat gehängt, die Keyboards blubbern ungreifbar und dann sehr sehr hoch eine fröhliche Melodie. Auch das ist wieder: Stadionelectro für FreundInnen von überzuckerten Drinks, aber es ist halt schon sehr gut inszeniert.

7. Indian Steps (feat. Antony)

Der Track, auf den ich am meisten gespannt war. Wie verträgt sich die Überwältigungs-Ästhetik mit der Stimme von Antony? Nun, wunderbar. Weil: Hudson Mohawke verzichtet auf die billige Überwältigung, sondern bastelt einen still-hymnischen Track (still ist natürlich immer relativ) für Antony, der zu Herzen geht. Antonys Stimme verschwindet wieder, es geht weiter mit ohrenzersägenden Noises aus dem Komakeller, die auch das Album eröffneten und weiter zu ...



8. Lil Djembe

Skelettal ist diese Nummer, die auch in einem Höhlenlevel eines Jump'n'Run-Games sehr gut klingen würde. Und am Schluss wartet der Endboss bzw. der nun wohlbekannte Lasernoise.


9. Deepspace (feat. Miguel)

Oder ist es doch Miguel, der hier seinen Seelenschmerz ausbreitet? «Please don't go», singt er, die Produktion ist überraschend verzerrt und aufgewühlt wie der Sänger, gegen Schluss klingt von irgendwoher ein Gitarrensolo aus dem Stadionrockmilieu, quasi als Erinnerung, dass dies eigentlich auch eine Hymne wäre, aber den ganz einfachen Weg geht Hudson Mohawke glücklicherweise auch hier nicht.

10. Shadows

Hier, ein Track, der auch von seinem Glasgower Gefährten Rustie stammen könnte, der im vergangenen Jahr mit «Green Language» wohl ähnliches im Sinn hatte wie der weit konsequentere Hudson Mohawke, aber dann doch auf halbem Weg scheiterte.



11. Resistance (feat. Jhene Aiko)

Zurück zur Einkehr, zum Liebesversehrten, das schon auch ein Thema dieses Albums zu sein scheint (die ausführlichen Artikeln, die bereits zu «Lantern» geschrieben wurden, habe ich mir für später aufgespart, aus Angst vor Spoilern). Und auch hier ist deutlich, dass Mohawke ein sehr bedachter Musiker ist, einer, der das Spektakel kann, aber noch viel mehr. Beispielsweise diesen Song.



12. Portrait of Luci

Zurück in die Partyzone, die schon ein wenig müde wirkt. Wäre dieses Album eine Clubnacht, dann wäre dies hier der Moment, an dem man nochmals rasch an die Bar geht und einen letzten Drink bestellt.


13. System

Ein Drink, der dann aber auf dem Dancefloor gleich verschüttet wird ob diesem Synthie-Flackern und den Trümmeli, die in den bisher mächtigsten Bang-Beat des Albums übergehen. This is madness.

14. Brand New World

Der Rausschmeisser klingt nach Middle-of-the-Road-Hardrockradio, der zurückgedimmt wird, nur um im Bad-Taste-Party-Gewand zurückzukehren. Der Gameheld aka Hudson Mohawke hat die Dämonen, die ihn plagten, allesamt geschlagen. Was bleibt, ist die Geisterstimme, die nochmals «Hudson Mohawke» einflüstert. Und Schluss und nun aber nochmals durchspielen.

hudson-mohawke-lantern Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Hudson Mohawke: «Lantern» (Warp/MV)

Live: 9.7., Montreux Jazz Festival (mit Jamie xx & SBTRKT)

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