Hot Chip (the Band) in Montreux

Hot-Chip-Montreux Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Immer dann, wenn das Konzept Band am Ende scheint, besuchen Hot Chip die Lande – die Band eines einst völlig neuen Typs, die heutzutage beinahe schon uncool wirkt, wie das Konzert in Montreux zeigte.

Nach dem Produzentenabend vom Donnerstag fing der Montagabend im Montreux Jazz Lab ähnlich wieder an: mit einem bleichen Mann an den Keyboards, dazu getriggertes Schlagzeug und einem Sitzgitarristen. James Blake war da zu sehen, wie er seine Stimmen loopte und gemeinsam mit seinen Mitmusikern Tieftonballaden erbastelte, die vor fünf Jahren mal die Zukunft bedeuteten und heute beinahe schon retrofuturistisch anmuten. Noch immer am grössten: der Track «CMYK», den man all denen vorspielen muss, die James Blake mit Nils Frahm verwechseln.

Glücklicherweise spielte Blake vor der Band Hot Chip, die mittlerweile ein so grosses Hitrepertoire angehäuft hat, dass man einstige Erkennungsmelodien wie «Boy from School» ohne Probleme auslassen kann. In all den Jahren entwickelte sich der Kern um Joe Goddard und Alexis Taylor zu einer derzeit siebenköpfigen Band, die in Montreux einen verschwenderisch anmutenden analogen Maschinenpark auf die Bühne stellte. Hier gibts keinen Minimalismus – und das wirkt in Zeiten der «Auflösung eines popmusikalischen Modells», wie es Christoph Fellmann hier beschreibt, doch auch antiquiert und angenehm uncool, zumal dann, wenn diese Musiker vor Jahren in der «Spex» als Band eines völlig neuen Typs beschrieben wurde.

Cool, das waren Hot Chip eigentlich nie, eher hatten sie schon immer den Mut zur Peinlichkeit, zu grossen Brillen und übergrossen T-Shirts, als der sogenannte Hipster noch in den Kinderschuhen steckte. Und natürlich ist da noch ihre Liebe zum Liebeslied und Freundschaftshymnen, die eigentlich viel zu gross sind für die Welt, aber seltsamerweise noch immer auf der kleineren Montreux-Bühne Platz finden. Hymnen wie «I Feel Better», «Flutes» oder «Over and Over», die Ausgelassenheit mit einer Melancholie aufladen und an diesem Abend (an dem «Alley Cats» das schönste Lied war) einmal mehr wunderbar funktionierten. Nur ganz am Schluss durfte gezweifelt werden: Ist nicht Bruce Springsteens «Dancing in the Dark» eine der Nummern, die wir unserer AOR-Elternschaft konstant vorhielten? Und das Hot-Chip-Cover, das nach einem schönen Intro dann doch zu U2-haft wurde, soll nun gut sein?

Nein, ist es natürlich immer noch nicht. Aber vielleicht ist es so, dass Hot Chip eine Band sind, für die uns dereinst unsere Kinder herzlich auslachen werden. Wie ich antworten werde? Vielleicht so: Der freundliche Spott mag angebracht sein, aber soviel Herzlichkeit, Schrulligkeit und so viel Pop, das gabs im Zeitalter der Produzenten und der kleinen Popzellen schlicht viel zu wenig.

Bild: Marc Ducrest // Montreux Jazz Festival

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