!Bad Bonn Kilbi 2020!

Bildschirmfoto 2020 03 11 Um 10 05 24 Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Alles ist in der Schwebe, dieses Programm aber nicht: 15 Vorfreuden der 30. Bad Bonn Kilbi.

Ist Vorfreude auf einen Anlass, der für den gar nicht mehr so fernen Frühsommer angesagt ist, überhaupt angebracht, jetzt, da fast alles abgesagt wird und «social distancing» eines der zwingenden Gebote der Stunde ist? Nun, alle Hoffnung auf freundlichere und gesündere Zeiten sollte man dennoch nicht verlieren – deshalb hier: Das Programm der Bad Bonn Kilbi, die dieses Jahr vom 4. bis 6. Juni stattfindet, hoffentlich. Was es zu hören gibt? Extremes, schönes, tanzendes.

Angel Bat Dawid

Sie ist nicht für Entertainment oder Zerstreuung zu haben. Was man auch auf «The Oracle» hört, dem letztjährigen Album der Klarinettistin und Sängerin Angel Bat Dawid aus Chicago. Zu hören ist weit offener Spiritual Jazz, der die Welt verbessern will – oder zumindest die Community. «Thumbs up for mother universe!», mehr denn je.

Rian Treanor

Bei dieser Musik verliert man die Kontrolle über die Bewegungen des Körpers, was der beabsichtigte und titelgebende Zustand von Rian Treanors Debüt «Ataxia» ist. Und wer schon einmal ein Set dieses jungen Engländers erleben durfte, weiss: Genau so unkontrolliert wird es sein. Für den Kopf wie für den Körper.

Horse Lords

Schon wieder hier: Die Horse Lords, die vor zwei Jahren eines der bleibenden Kilbi-Konzerte spielten. Damals passte alles – auch der Slot direkt nach den Master Musicians of Jajouka, der Trance-Verbindungen der Band aus Baltimore bis in die marokkanischen Berge offenbarte. Dieses Jahr verstärkt mit einem lokalen Ensemble.

Big Joanie

«Similar to The Ronettes filtered through ’80s DIY and Riot Grrrl with a sprinkling of dashikis»: So beschreibt sich die Band Big Joanie gleich selber. Und wer das Debüt «Sistahs» hört, weiss: Fantastische Gitarren-Bands werden nie sterben.

Kampire and Decay presents: Bunu Bop

Das ugandische Label Nyege Nyege Tapes ist dieses Jahr auch an der Kilbi präsent, etwa mit Kampire und Decay. Die zwei DJs und feministischen Aktivistinnen werden gemeinsam zum «Bunu Bop» laden. Wie das klingen könnte, ganz am Schluss auf der Hauptbühne? Einfach die beiden Mixes anhören – mit den Sounds aus Kampala und den angrenzenden Gegenden.

Debonair b2b Actress

DJ-Überhang oder -Überdruss? Natürlich nicht, vor allem dann nicht, wenn sich mit Debonair eine der grossen Mixerinnen meiner Welt ankündigt. Sie wird wohl auch gemeinsam mit Actress das machen, was bereits ihre NTS-Sendung ausmacht: «Debonair connects the musical dots, with a particular affinity for post-punk, techno and vintage electronica.» Für den Schluss im Haus am Donnerstag – auch in Erinnerung an Andrew Weatherall.

Girl Band

Die Idles sind mir egal, nicht aber die Girl Band um den hässigen Sänger Dara Kiely und ihren Tracks, die vieles aufbrechen – auch das Schulterblatt. Denn: «It's like a hat for Ed Mordake», mit beiden Gesichtern zu sehen auch in diesem Mitschnitt.

100 gecs

Klingt dieses Duo nicht arg nach dem Stehle-Alles-Piraterien-Optimismus, der die Blogs und sowieso das Internet vor fünfzehn Jahren noch zu einem recht angenehmen Ort machten? Ja, natürlich, nur, dass 100 gecs noch einmal greller klingen als der Hyper-Pop von damals. Und sie gehen damit ungemein auf die Nerven – und bleiben zumindest in meinem Kopf, mit Hymnen wie «ringtone» oder der Zeile «With the big boys coming with the big stuff I feel so clean like a money machine, oh yeah». Haha.

CURL

Das ist die Jam-Band von Mica Levi, Coby Sey und Brother May. Fehlt eigentlich nur noch Tirzah.

Omni Selassi

Auch eine Band sind Omni Selassi mit Rea Dubach, Mirko Schwab und Lukas Rutzen und den Drums und Stimmen und Geräuschen – bis hin zum «Bubblegum Drone». An der Kilbi in bester Verwandtschaft – für die freien Strukturen.

MCZO & Duke

Zurück zu Nyege Nyege Tapes mit MCZO und Duke aus Daressalam, die die hyperschnelle Singeli-Musik noch einmal dynamisieren. Im letzten Herbst hat das MC-DJ-Duo ihren «No Visa Mix» veröffentlicht, was dann auch zeigt: Es ist für afrikanische Musikerinnen und Musiker ein Ding, überhaupt an- und weiterzureisen, wie auch Kampire in ihrem «Resident Advisor»-Interview sagt: «I don't think people with 'good' passports realise the struggles of #TravellingWhileAfrican, what a huge boon it is to get your passport stamped with no questions, without having to show all your transit visas and return tickets and that you have a certain amount of money on hand. And that's assuming that you have the skills and language to get your music out there and heard in the first place in order to book international gigs.» Hoffentlich klappt alles für die Kilbi.

Gabber Modus Operandi

Nicht weniger frenetisch ist die Musik, die Gabber Modus Operandi produzieren. Das indonesische Duo zieht Linien von Footwork über balinesischen Folk bis hin zum gerne verschmähten Gabber. Zur Einstimmung, dieses Interview.

Joan Shelley

Alles so laut hier? Nicht bei Joan Shelley. Die Musikerin aus Louisville, Kentucky singt auf dem aktuellen Album von Bonnie Prince Billy mit – und hat aber auch ein eigenes, sehr schönes Album veröffentlicht. «Like the River Loves the Sea» heisst es, mit Folksongs, die über das Nest Kentucky Bescheid wissen – und in der Hast der Gegenwart Zuflucht schenken.

Mad Miran

Aber dann nochmals in den Club, zu Mad Miran mit Heimbasis in Rotterdam. Eine Selektorin ist hier zu entdecken, die nach Sets im Salon des Amateurs oder am Dekmantel Festival nun auch die Kilbi besucht.

DJ Fett

Schliesslich: Der Allerliebste – bis der Morgen über Düdingen einfällt. Move on up!

finale ligure 309 Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Auch dabei: Peter Kernel // Chromatics // Stefanie Staudacher // Leoni Leoni // Amnesia Scanner // 070 Shake // Ahmedou Ahmed Lowla // Big Freedia // BbyMutha // Felicia Atkinson // Feldermelder u.v.m.

Jeden Sonntag: Der Popletter «Listen Up!» mit Platten, Konzerten und Lesestücken. Hier gehts zum Abo.

Zurück zum Blog

comments powered by Disqus