These Bands Could Be Your Life

horselords Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Die Gegenwart gehört zwar den Projekten, aber nicht nur: Drei Konzerte, die zeigen, dass die Band auch 2017 noch lebt.

Slowdive

Wie altbacken Bands wie Slowdive heutzutage wirken können, das war am Rewire Festival in Den Haag zu sehen. Jessy Lanza spielte im kleineren Raum ein fantastisches Set, als Neil Halstead, Rachel Goswell und Co. ihr Konzert begannen. Ich schlenderte rein in den grossen Saal, kehrte beinahe wieder um, weil: Es gab Hallschlagzeug, Bildschirmschonervisuals und weiteres, das man längst im Ordner des Geschmäcklerischen abgelegt hat. Ich blieb dann doch, zum Glück, weil sich zeigte: Da ist mehr zu sehen, nämlich eine Band, die Frieden mit ihrer Vergangenheit geschlossen hat. Neil Halstead lächelte nach den Songs scheu, hielt kurz inne, ehe er und die Band einen neuen Song begannen. Es sind diese Bilder der Freude, wieder Zusammenzusein, die nun auch nachhallen, wenn ich das neue, bald erscheinende Album und Songs wie «Sugar for the Pill» höre. Ein Album, von dem ich eigentlich meinte, dass ich das keineswegs brauche. Und zum ersten Mal scheint eine Reunion schönen Sinn zu ergeben.

Horse Lords

Vier seltsame Typen in überraschend hässlichen angebeigten T-Shirts und Hemden, in den Ohren billige gelbe Oropax: So erschienen die Horse Lords aus Baltimore, ebenfalls am Rewire Festival. Der Gitarrist glich dem nervösen Neurotiker aus der Grossstadt (David Byrne), die anderen sonstwie awkward, und was sie dann spielten, war ein Set, bei dem alle Strenge, die in ihrer minimal scheinenden Postpunk-Musik steckt, einer karnevalesken Freude wich. Diese Cowbells! Das aggressive Saxofon! Die Gitarren! Das hart tanzende Schlagzeug! Oh lord, was für eine Band, die idealerweise live zu erleben ist.

Jeans for Jesus

Das war nicht das Feuilletonspalt. Das war ein ausverkaufter Konzertsaal voller Leute, die am Karfreitagsabend im Berner Dachstock erwartungsfroh und nicht unnervös den Dingen harrten, die da bald auf der Bühne geschehen werden. Es gab ja auch was zu feiern: Ein Album nämlich, das Popgegenwart und Berner Mundart meisterhaft zusammenbringt. Eine Platte aber auch, die abseits der Zeitungsspalten wesentlich kontroverser beurteilt wurde.

Was es zu sehen gab? Gleich zu Beginn, eine Parfümwerbung, die den Duft «P R O – The new fragrance by Jeans for Jesus» – bewarb, ein Unisex-Parfüm mit den Geschmacknoten «Neohippie-Jeans und neo-digital», das dennoch recht prickelnd riecht, wenn man es auf die Haut aufsprüht. Es folgten Neonröhrenblitze, die Musiker nahmen ihre Plätze ein, getrennt voneinander durch Wände, in denen Lichtelemente steckten. Man erkannte nicht viel, doch der Sound, er war so fett wie die Stimme von Michael Egger im besten Sinne dünn war. Und es wurde schnell klar: Dies war eine Popshow, die das Grosse zitierte und durch die Trennwände auch gleich das Konzept Band in Frage stellte. Die Lieder der Vereinzelung, die Jeans for Jesus zusammen anstimmten, erhielten so eine stimmige Inszenierung. Und doch waren sie nicht allein, schon gar nicht bei den alten Songs und auch nicht dann, wenn sie den neuen Ausnahmesong «Is It Better to Burn Out Than to Fade Away» anstimmten: «Fr meh aus mönsch si längt mini chraft nüm» sang hier Zweitsänger Demian Jakob, der das «fade away» von Neil Young in «la nis la verblassä» umdichtete. Die tanzenden Gestalten und die Tränen: Sie waren echt, was für eine Freude.

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